Kontroverse Debatte über Artenschutz

Auf dem Podium: (v.l.) Dr. Gerhard Liebig, Max Schön, Alois Kramer, Dr. Peter Manusch, Moderator Wolfgang Küpper, Hans-Joachim Fünfstück und Axel Doering - © Lory

Diesen Beitrag teilen

Das Thema Artenschutz mobilisiert nach dem erfolgreichen Volksbegehren weiterhin die Menschen. Am Donnerstagabend kamen im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Murnauer Kultur- und Tagungszentrum die unterschiedlichen Standpunkte auf den Tisch. Die Debatte war durchaus kontrovers.

Murnau – Was herauskommen wird, ist noch unklar. Doch die Beteiligten sitzen am Runden Tisch. Im Februar hat die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einberufene Versammlung zum Arten- und Naturschutz mit Vertretern der Staatsregierung, Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ und betroffenen Verbänden erstmals stattgefunden. Im Nachgang war von einer konstruktiven Zusammenarbeit die Rede.

Auch auf dem Land ist der Diskussionsbedarf weiterhin groß. Das zeigte sich am Donnerstagabend im gut besuchten Murnauer Kultur- und Tagungszentrum. Der Kreisverband des Bayerischen Bauernverbands (BBV) hatte in Zusammenarbeit mit der Zugspitz Region GmbH zu einer Podiumsdiskussion geladen. An dem Abend wurde munter gestritten, an Zwischenrufen mangelte es nicht. Zwischendurch drohte die Debatte sogar aus dem Ruder zu laufen.

Deutlichen Widerspruch aus dem Publikum und von Mitdiskutanten erntete gleich zu Beginn Dr. Gerhard Liebig. Denn der Imker, Bienenwissenschaftler und Entomologe postulierte: „Es gibt kein Bienensterben.“ Auch der Agraringenieur und Landwirtschaftsdirektor a.D. Max Schön stellte eine gewagte These auf. „Wir haben wesentlich mehr Vögel als vor zehn Jahren.“ Schön nannte zum Beispiel Storch, Reiher und Rotmilan.

Die Zahlen, die Hans-Joachim Fünfstück vom Vogelschutzbund präsentierte, sprechen für das Werdenfelser Land eine andere Sprache. „Ich kann nur Trauriges berichten. Wir haben einen Rückgang von 33 Prozent in der Vogelwelt, was die Arten, aber auch die Individuen betrifft.“ Die Kiebitze sind Fünfstück zufolge „alle weg. Es gibt ein Artensterben, wie wir es noch nie erlebt haben.“

Axel Doering, Kreisgruppen-Vorsitzender des Bund Naturschutz, betonte in Bezug auf den Runden Tisch in München, dass alle an einem Strick ziehen müssten. „Das bedeutet auch, Abstriche zu machen. Es ist sinnvoller, nicht in die Schützengräben zu gehen.“

Der Krüner Landwirt und BBV-Vizekreisobmann Alois Kramer sieht die Bauern „in Geiselhaft“ genommen. „Für uns ist das unangenehm.“ Das Volksbegehren „ist gegen uns gegangen. Wir haben den Schwarzen Peter“. Kramer, der seinen Milchviehbetrieb und seine Arbeitsweise vorstellte, ist der Meinung, dass auch die anderen Ursachen für das Artensterben untersucht werden sollten. Sein Uffinger Berufskollege Florian Kraus betonte: „Uns ist bewusst, dass sich was ändern muss.“ Aber auch andere Gruppen müssten ihren Beitrag leisten. „Wir sind zu Kompromissen bereit.“ Kreis- und Bezirksbäuerin Christine Singer unterstrich: „Es muss für uns halt auch umsetzbar sein.“ Ihr Wunsch: Punkte, die nicht praxistauglich sind, sollten außen vor bleiben. Kreisobmann Klaus Solleder bedauerte, dass bei dem Volksbegehren der Tourismus nicht berücksichtigt wurde. Der Unterammergauer fragte, warum ein Betretungsverbot nicht aufgenommen wurde.

Das Volksbegehren wurde unter anderem vom Naturland-Verband unterstützt. Dr. Peter Manusch ist dort Fachberater für Ökolandbau. „Mit einer Unterschrift sich ein reines Gewissen zu erkaufen, ist zu wenig“, erklärte der Seehauser. Das Verhalten im Garten, aber auch beim Einkaufen müsse sich ändern. Es gilt nach Manuschs Meinung zu fragen, was jede Gruppe zum Artenschutz beitragen kann. Rudi Kühn, Riegseer Bürgermeister und Bio-Landwirt mit ÖDP-Parteibuch, rief die Bauern auf, „sich bitte nicht immer als geknüppelte Berufsgruppe zu fühlen. Entscheidend ist, dass die Politik am Runden Tisch und in den Ausführungsbestimmungen den großen Wurf macht“.

Text (c) Roland Lory

Quelle: merkur.de

Lesen Sie auch:

Über den Autor

Gerhard Liebig
Ende 2011 ging Dr. Gerhard Liebig in den Ruhestand. Er war 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim angestellt und hat dort in Langzeitprojekten die Populationsdynamik von bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeugern auf Fichte und Tanne sowie die Entwicklung von Bienenvölkern und ihres Varroabefalls untersucht.

10 Kommentare zu "Kontroverse Debatte über Artenschutz"

  1. Warum sagen Herr Dr. Liebig „es gibt kein Bienensterben“? Es sind doch gerade auch die vielen Hummeln und Solitärbienen deren Anzahl an Idividuen stetig abnimmt und in ihrer Existenz bedroht sind. Das sind auch Bienen oder irre ich?

  2. Es wird der Eindruck erweckt dass die gesamte Fläche von D als landwirtschaftliche Fläche genutzt wird. Tatsächlich bewirtschaftet die Landwirtschaft gerade mal 505 der Fläche. Der Rest entfällt auf Wald, Naturschutzgebiete, Strassen und Wohngebiete. Also animiert mal auch die übrige Bevölkerung um etwas für den Insektenschutz zu tun. Einfach mal aus dem englischen Rasen am Haus durch 1 oder 2-maliges mähen eine Blumenwiese schaffen. Das wäre nur ein kleiner Schritt mit enormer Wirkung zur Belebung der Natur. Oder das Schotterbett im Vorgarten mit etwas Grün bereichern.

  3. Alter schützt vor Torheit nicht

  4. Es ist erstaunlich, wie von Hern Dr. Liebig, die Studien zum Rückgang der Insekten, und damit auch der der Vögel ignoriert wird. Nicht nur Imker sollten wissen, wie sie seine Meinung einzuordnen haben.
    Von Wissenschaftlern erwarte ich fachliche Kompetenz.

  5. Hallo Herr Dr. Liebig,
    warum formuliern Sie nicht genauer und sagen „es gibt kein Honigbienensterben“. So nähren Sie den Verdacht, dass Sie der nützliche Idiot der Pestizidbefürworter sind.
    Ich war mal in einem Kurs bei Ihnen und fand das damals gut. So aber verlieren Sie meine Achtung.
    Freundliche Grüße
    Rolf Böminghaus

  6. Die Population nimmt da ab, wo der Lebensraum nicht mehr gegeben ist. Er nimmt aber auch dort zu, wo ein neuer Lebensraum entsteht. In einem Vorgarten, dessen Fläche mit Kies versiegelt ist, wächst keinerlei Futterpflanze. Also wird man dort weder Bienen, noch andere Insekten finden. Dies heißt aber nicht gleichzeitig, dass die Insektenmenge insgesamt abnimmt. Wer die Diskussion seit letztem Jahr verfolgt hat, müsste eigentlich verstehen, warum Herr Dr. Liebig sagt: „es gibt kein Bienensterben“.
    Wenn alle Bienenhalter/Imker so den Empfehlungen zur Varroakontrolle und Behandung folgen würden, die auf jahrelangen Untersuchungen und Aufzeichnungen und von Herrn Dr. Liebig basieren, dann hätten wir in Deutschland wahrscheinlich keine Bienenvölkerverluste über den Winter.
    Scheinbar wird nur das geglaubt, was keine Arbeit mach und Publicity bringt.

  7. Ich würde gerne wissen auf welche signifikante Studie sich die Aussage “ es gibt kein Bienensterben“ stützt?

    Ich habe mehrere „Studien“ und Statistiken gefunden, die in verschiedenen Medien als Beweis für ein Bienensterben/Insektensterben belegen sollen. Leider ist keine dieser „Studien“ Signifikant. Herr Liebig als Wissenschaftler wird wissen wie wichtig es ist solche Aussagen nachweisbar darzulegen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Björn

    • Herr Liebig bezog sich bei seiner Aussage „Es gibt kein Bienesterben“ auf die Nutzbiene. Hierbei ist also zu beachten, dass zwar insgesamt ein Insektensterben stattfindet, aber die Nutzbene zur Honiggewinnug keinesfalls bedroht ist. Es gibt die gleiche Menge an Völkern, die es schon vor Jahren gab. Sie werden maximal geschwächt. Aber das stellt bei guten Imkern kaum ein Problem dar.
      Ich hoffe sie konnten meinen Standpunkt verstehen.
      Mit freundlichen Grüßen
      Daniel Bandelow

      • Hallo Herr Bandelow, danke für Ihre Antwort. Ihren Ausführungen kann ich folgen und aus eigener Erfahrung zustimmen.

        Grüße
        Björn

Schreibe einen Kommentar zu bauer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*