Mittel gegen Varroa-Milbe entdeckt (LiCl)

Photo (c) Gilles San Martin

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Zum Jahresanfang 2018 erneut Unruhe im Internet

In 2016 war es die „Bienensauna®“, die -auch durch die Berichterstattung der Medien befördert- für Unruhe im Internet und im Ruhestand des Verfassers sorgte.

Denselben Effekt hatte in 2017 der „Varroa-Killer-Sound“. Mit ihm wurde die „Revolution in der Varroamilben-Bekämpfung mit Ultraschall“ angekündigt. Sie fand nicht statt. In vier Testreihen ─ zwei im Frühjahr, je eine im Spätsommer und im Herbst durchgeführt ─ stellte sich die mehrere Wochen lange Dauerbeschallung als unwirksam heraus. Die stundenlange Wärmebehandlung mit der Bienensauna® hatte in den Versuchen im Jahr zuvor wenigstens noch etwas Wirkung gezeigt, die aber bei weitem nicht ausreichte, um die Aussage des Herstellers, mit der er die Bienensauna® auf seiner Website bewirbt, „2x im Jahr  behandeln – und die Bienen bleiben gesund – Du kannst ganz auf Säure oder Gifte verzichten“, zu bestätigen. Die ausführlichen Testberichte zu beiden Produkten sind auf dieser Website in der Rubrik „Nachgedacht“ zu finden.

Auch in 2018 bleibt dem Verfasser die Unruhe im Ruhestand erhalten; denn neben den schon seit vielen Jahren laufenden Bemühungen um die Optimierung der Anwendung von Oxalsäure und Ameisensäure, bei denen es in kleinen Schritten vorwärts geht, steht der Test eines vermeintlichen „Wundermittels“ an. Seine Existenz wurde mit einer Pressemitteilung der Universität Hohenheim am 12. Januar 2018 publik gemacht. Unter der Überschrift „Forscher entdecken Medikament gegen Varroa-Milbe“ war zu lesen: „Lithiumchlorid verspricht Durchbruch im Kampf gegen gefährlichen Bienen-Parasiten“.

Dieser Hinweis sorgte auch für Unruhe im Internet. Bei Wikipedia wurde die Seite „Lithiumchlorid“ bereits am 12. Januar über 1000mal aufgerufen und damit etwa 10mal häufiger als an den Tagen zuvor (siehe Aufrufstatistik).

Anfragen landeten auch beim Verfasser, der sich an einen Vortrag erinnern konnte, der auf der 64. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung e.V., die vom 14.-16. März 2017 in Celle stattgefunden hatte,  über „die akarizide Wirkung von Lithiumchlorid im Käfigtest“ gehalten worden war. Sein Inhalt ist im Tagungsband als Abstract zu finden. Seitdem ist anscheinend nichts Neues hinzugekommen.

Die Pressemitteilung und ihre Folgen

Etliche Medienorgane haben den Inhalt der Pressemitteilung mehr oder weniger wörtlich übernommen und online gestellt. Auf vielen Webseiten ist häufig gleichlautender Text zu lesen. So heißt es auf der Website von „scinexx.de Das Wissensmagazin“ unter den Schlagzeilen  „Bienen: Mittel gegen Varroa-Milbe entdeckt“ und „Lithiumchlorid verspricht Durchbruch im Kampf gegen den Bienen-Parasiten“:

„Hilfe für Bienen: Forscher könnte ein effektives und günstiges Mittel gegen die gefürchtete Varroa-Milbe gefunden haben. Erste Tests zeigen, dass Lithiumchlorid den Bienenparasit abtötet, wenn die Bienen es mit dem Futter aufnehmen. Im Gegensatz zu bisherigen Behandlungsansätzen ist Lithiumchlorid leicht verfügbar, verträglich und unkompliziert anzuwenden, wie die Wissenschaftler berichten“.


Die Fachzeitung „bienen&natur“ meldet online:

„Forschern der Universität Hohenheim in Stuttgart gelang es eine Substanz zu finden, die als Grundlage für ein zukünftiges Medikament, Honigbienen mit einem relativ geringen Arbeitsaufwand von der gefürchteten Varroa-Milbe befreien könnte. Bei der Substanz handelt es sich um Lithiumchlorid. Nach über 25 Jahren Forschung steht damit erstmals ein neuer Wirkstoff im weltweiten Kampf gegen die Varroa-Milbe zur Verfügung, der völlig anders wirkt als bisherige Mittel – nämlich über die Fütterung“.

Die „Stuttgarter Zeitung“ informiert auf ihrer Webseite auch über den Wirkstoff. Unter der Überschrift „Bewährtes Mittel bei Depressionen“ ist zu lesen:

„Bei Lithiumchlorid (LiCl) handelt es sich um das Lithiumsalz der Chlorwasserstoffsäure, das farblose Kristalle bildet. Lithiumsalze werden bereits seit der Mitte des 20. Jahrhunderts als Medikament in der Psychiatrie eingesetzt und sind in der Anwendung bezüglich Nebenwirkungen, Verträglichkeiten und Wechselwirkungen sehr gut erforscht. In der Lithiumtherapie wird Lithium in Form einiger seiner Salze auch bei einer bipolaren Störung, Manie oder Depressionen einerseits als Phasenprophylaktikum, andererseits auch zur Steigerung der Wirksamkeit in Verbindung mit Antidepressiva eingesetzt.“


Bei der „Stuttgarter Zeitung“ ist auch zu lesen: Wie simpel die Anwendung des Mittels ist, erklärt Peter Rosenkranz:

„Lithiumchlorid kann man Bienen in Zuckerwasser aufgelöst füttern. Bei unseren Versuchen haben bereits geringe Mengen der Salzlösung ausgereicht, um innerhalb weniger Tage die auf den Bienen aufsitzenden Milben abzutöten – ohne Nebenwirkungen für die Bienen.“

Beim unbedarften Leser bleibt nach dem Lesen dieser Berichte von dem entdeckten Wirkstoff hängen:

  • effektiv,
  • simpel in der die Anwendung,
  • ohne Nebenwirkungen für die Bienen
  • und anscheinend besser als das was bisher zur Varroabekämpfung zur Verfügung steht.

Der Teufel steckt im Detail

Diese Aussagen machen neugierig, wie die Behandlung mit Lithiumchlorid (LiCl) im Detail aussieht. Darüber erfährt man mehr, wenn man sich eingehend mit der wissenschaftlichen Publikation auseinandersetzt. Die Publikation ist im Internet auf der Website der international renommierten Fachzeitschrift nature als „Scientific Report“ zu finden. Das Manuskript wurde bei nature am 28. Juni 2017 eingereicht, am 20. Dezember 2017 akzeptiert und am 12. Januar 2018 online gestellt. Im nature-Artikel werden Kästchenversuche im Labor und die Behandlung von in Kellerhaft gehaltenen brutfreien Kunstschwärmen vorgestellt, aus deren Ergebnissen die Autoren lediglich schlussfolgern, dass es möglich ist, mit Lithium eine effiziente und leicht anzuwendende Varroabehandlung von Bienenvölkern durchzuführen. Die Versuche darüber stehen noch aus.

Bei google.com/patents (WO 2017042240 A1) stößt man auf eine Patentanmeldung, die –obwohl sie bereits am 7. September 2016 eingetragen wurde– einige Informationen enthält, die in der wissenschaftlichen Publikation fehlen. Sie wurden auch nicht im Celler Vortrag erwähnt und sind auch nicht in seinem Abstract zu finden. So geht (nur!) aus der Patentanmeldung hervor, dass die Bienenlarven LiCl in ihrem Futter nicht vertragen!

Bei der Fütterung von weiselrichtigen und brütenden Völkern muss unbedingt überprüft werden, wie sich die Beimischung von LiCl im Futter auf die Entwicklung der Brut während und nach der Futtergabe auswirkt. Dazu gehört auch, wie behandelte Bienenvölker überwintern und sich um Frühjahr entwickeln.

Derartige wichtige Untersuchungen über Volksentwicklung fehlen auch bei den bereits in 2016 durchgeführten Behandlungen von „mini-hives“, die ebenfalls nur in der Patentanmeldung vorgestellt werden. Diese Kleinvölker wurden 23 Tage lang mit LiCl-haltigem Sirup gefüttert. Damit ist die Entwicklungszeit der Arbeiterinnenbrut abgedeckt. Mit der Konzentration, die bei der in-vitro-Fütterung der Larven deren raschen Tod herbeiführte, wurde kein überzeugender Milbenfall ausgelöst. Die Verfütterung von Sirup mit deutlich höheren LiCl-Konzentrationen war wirksam, doch wird nicht berichtet, ob und wie stark die Bienenbrut betroffen war.

Aus dem Befund, dass LiCl giftig für Bienenlarven ist, leiten die Entwickler lediglich ab, „that LiCl should ideally be applied when egg laying is decreased. Such a phase naturally occurs between the calender start of summer and the overwintering period“. Im Spätsommer und Herbst werden die Winterbienen aufgezogen! Eher würde doch die Behandlung von brutfreien Völkern in Betracht kommen, wie sie im Frühjahr bei der Völkervermehrung und nach der Sommerhonigernte beim „Teilen und behandeln“ bereits üblich ist. Da bietet es sich an, die Verfütterung von LiCl-haltigem Sirup mit der Anwendung von Oxalsäure zu vergleichen. Dabei wird nicht nur der Aufwand und die Wirkung auf die Varroamilben erfasst, sondern auch wie sich die behandelten Völker und die überlebenden Milben weiter entwickeln. In diesem Versuch sollte auch Lithiumcitrat getestet werden, dem in allen drei vorliegenden Berichten eine höhere Wirksamkeit bescheinigt wird als dem Lithiumchlorid. Und zu guter Letzt könnte auch noch das erst kürzlich zugelassene VarroMed® einbezogen werden, das mit dem Slogan “Die erste 3-Jahreszeiten Varroa Behandlung“ beworben wird. So werden in einem Feldversuch vier Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Erst danach lohnt sich die „Millionen“ zu investieren, die angeblich ein „Tiermedikament-Zulassungsverfahren“ kostet. So wird Dr. Rosenkranz in einem Bericht des MDR vom 18.01.2018 zitiert.

Eher wahrscheinlich ist aber, dass das entdeckte Mittel im Feldversuch nicht besser abschneidet als die Mittel, die bereits zur Verfügung stehen, um die Varroamilbe im Griff zu halten, ohne dass die Reinheit des Honigs gefährdet wird. Die überwiegende Mehrheit der Imker in Deutschland kennt das Bienensterben nicht!

Referenzen

  • Ziegelmann B, Abele E, Hannus S, Beitzinger M, Berg S, Rosenkranz P (2018) Lithium chloride effectively kills the honey bee parasite Varroa destructor by a systemic mode of action. Sci Rep 8:683. doi: 10.1038/s41598-017-19137-5 (Original Artikel in englisch)
  • BeePax Projekt – effektive Varroakontrolle mit LiCl (Bayrische Forschungsstiftung)

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Über den Autor

Gerhard Liebig
Ende 2011 ging Dr. Gerhard Liebig in den Ruhestand. Er war 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim angestellt und hat dort in Langzeitprojekten die Populationsdynamik von bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeugern auf Fichte und Tanne sowie die Entwicklung von Bienenvölkern und ihres Varroabefalls untersucht.

11 Kommentare zu "Mittel gegen Varroa-Milbe entdeckt (LiCl)"

  1. Mahlzeit,
    ich bin über eine Chemilaborpuplikation auf das thema LiCL aufmerksam geworden und letztendlich ebenfalls via Link auf die original Veröffentlichung gestossen. Letztendlich bedeutet das ganze leuchten am Horizont nicht mehr als: Wir haben per zufall etwas entdeckt und werden es weiter erforschen müssen bevor wir etwas endgültiges sagen können.
    Aber wie immer greift die Presse alles auf was den derzeitigen Bienenwahnhype in der Öffentlichkeit anheizt. Was eigendlich gut ist da so die Biene und der Imker im Ansehen steigen (was evtl. erhöten Honigkonsum in der Bevölkerung auslöst)
    Nun warten wir ab

  2. Toller und informativer Beitrag der mal wieder zeigt, das man nicht so einfach alles glauben sollte.
    Danke Gerhard!

  3. Und dann hat ja auch Bayer noch ein neues Mittel am Start:
    Polyvar® zur Bekämpfung der Varroa-Milbe

    http://www.news.bayer.de/baynews/baynews.nsf/id/2017-0109

    Was soll man davon halten, außer dass Bayer ansonsten nicht unbedingt (kommt aber auf die Anwendung an) insektenfreundliche Produkte vertreibt?

  4. Ja man stelle sich vor, wenn diese Impfung funzt wo dann die ganzen Dispenser oder anderes verkauft werden soll.

    • Hätte hätte Fahradkette wie wenn’s dann noch wichtig wär?Knapp daneben ist auch vor bei

    • Sehr geehrter Herr Klein, es geht doch hier nur um die Notwendigkeit, dass die gemachte Entdeckung in der imkerlichen Praxis geprüft wird. Zum Beispiel könnte die Fütterung mit LiCl-haltigem Sirup bei der Völkervermehrung getestet werden. Die Vorgehensweise wäre folgende:
      Tag x: Sammelbrutableger bilden,
      Tag x+9: Nachschaffungszellen brechen und belarvten Zuchtrahmen einhängen,
      Tag x+19: Königinnenzellen verschulen
      Tag x+21: Pflegevolk in so viele Begattungsvölkchen auflösen wie Königinnen geschlüpft sind
      Wenn man diese Begattungsvölkchen beim Erstellen mit Oxalsäure besprüht, sind sie anschließend milbenfrei. Und das ohne Dispenser!
      Statt dieser relativ aufwändigen Behandlung könnte man die Pflegevölker vorher mit LiCl-haltigem Sirup füttern. Dabei kann man durch geschickte Terminwahl auch noch testen, wie sich diese Fütterung auf die Aufzucht der Königinnen auswirkt! Selbstverständlich werden Milben gezählt und die weitere Entwicklung der Begattungsvölkchen beobachtet.
      Erkennen Sie das Potenzial, das in solchen Versuchen steckt? Ich habe noch andere in der Planung. Es geht dabei nicht darum, Dispenser oder anderes zu verkaufen, sondern konkrete Anleitungen zu entwickeln.

  5. R.E Hurra? Ja ist doch erst mal gut dass was gemacht wird für
    die BIENEN! Nur die halbe Info ist halt falsch!!Jeder Imker wäre froh wenn’s so wär!Und Ich hoffe dass es nicht aus geht wie das ,,HORNBERGER schießen“ Und wenn Aufklärung kommt.So schnell schießen die Preissen nicht MfG R.E

  6. Danke für die informative und kritische Betrachtung.
    VGr

  7. Ahh! Endlich einen hilfreichen Beitrag zu diesem Thema gefunden! Vielen lieben Dank! 🙂

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