Die Spätsommerpflege

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In Kürze:

  • Seit Ende Juli werden die Völker jeden Tag etwas leichter.
  • Beim Öffnen der Völker und Wabenziehen stellen sich sehr rasch Räuber ein.
  • Der Varroabefall der Völker hat zugenommen (und wird weiter zu nehmen). In der Regel ist er noch im „grünen Bereich“.
  • Die Spätsommerpflege von Alt- und Jungvölkern steht an.

Das Springkraut blüht. Vielerorts wird es von den Bienen beflogen. Nach dem Blütenbesuch kehren die Sammlerinnen, auf ihrem behaarten Rücken auffällig mit hellgrauem Pollen bepudert, in den Stock zurück. Ein Teil des Pollenpuders wird nach der Rückkehr abgestreift und fällt durch den Gitterboden. Bei der Gemülldiagnose fällt es als hellgraues Mehl in der Nähe des Stockeingangs auf. Ausdehnung und Dicke des Mehlbelags lassen einen Vergleich von Völkern und Bienenständen hinsichtlich Volksstärke bzw. Trachtnutzung zu.

Das Springkraut wird zwar vielerorts mehr oder weniger intensiv beflogen. Dennoch zeigt (auch) das Waagstockvolk am Lehrbienenzentrum Hohenstein seit der Sommerhonigernte -wenn auch geringe- Abnahmen.

Die Ziele der Spätsommerpflege

Die Spätsommerpflege steht an. Mit ihr werden die Völker auf die Überwinterung vorbereitet. Im Oktober sollen sie stark genug und ausreichend bevorratet sein und außerdem auf möglichst jungem Wabenbau sitzen und eine junge Königin und wenig Milben haben. Dann werden sie sicher über jeden Winter kommen!

Die Jungvölker

Diese fünf Ziele sind bei Jungvölkern leicht zu erreichen. Sie wurden im Mai/Juni als Brutableger mit zwei „Altwaben“ (1 Brutwabe, 1 Futterwabe) und 1 Mittelwand gebildet, im brutfreien Zustand im „Sprühverfahren“ gegen die Varroamilbe behandelt, und, als sie zu wachsen begannen, mit Mittelwänden erweitert und bei Bedarf gefüttert. Den Höhepunkt ihres Brutstandes erreichen Jungvölker in den nächsten Tagen, zwischen Mitte und Ende August, und drei Wochen später, im September, den Höhepunkt ihrer Volksstärke. Das noch notwendige Winterfutter wird den Jungvölkern erst gegeben, wenn ihre Brutnester zu schrumpfen beginnen, und dann in zwei oder drei Portionen. Nach der Auffütterung und damit erst im September wird die Vorbereitung der Jungvölker auf den Winter mit einer Ameisensäurebehandlung abgeschlossen.

Die Fluglöcher der Jungvölker waren von Anfang an eingeengt und sie bleiben auch oder gerade im Spätsommer/Herbst eingeengt. Das eingeengte Flugloch befindet sich durchgehend dort, wo der Brutableger gebildet wurde, rechts oder links am Beutenrand, NICHT in der Mitte.

Die Altvölker

Altvölker (oder Wirtschaftsvölker) werden bis zu Beginn der Spätsommerpflege in drei Zargen geführt. Ihre Brutnester begannen Ende Juli zu schrumpfen. Dabei rücken sie nach oben. In der Regel wird die untere Brutraumzarge gegen Mitte August brutfrei und kann dann komplett mit ihren alten Waben, nach Abschütteln der Bienen, entfernt werden. Beim Einengen kommen die ehemalige obere Brutraumzarge auf den Gitterboden, auf ihr der ehemalige Honigraum und darauf eine Leerzarge. Sie wird nach dem Einengen, noch im August, zuerst zum Einstellen des Ameisensäureverdunsters genutzt und unmittelbar nach erfolgreicher Behandlung als „Futterzarge“. Das notwendige Winterfutter wird in einer Portion gegeben. Nach der Auffütterung wird die Ameisensäurebehandlung –im September- wiederholt.

Beim Einengen der Altvölker kann, ohne Waben zu ziehen, ihre Stärke beurteilt werden. Beim Abheben der unteren Brutraumzarge sollte eine große Bienentraube zu sehen sein. Sie sollte mindestens die Hälfte des Gitterbodens bedecken. Wenn die Bienentraube gänzlich fehlt, wäre das Altvolk auf 1 Zarge einzuengen. Nach der Ameisensäurebehandlung wird es entweder aufgelöst oder aufgefüttert und dann später im Oktober mit einem anderen 1-Zargen-Volk vereinigt. Bei schwachen Altvölkern werden nach dem Einengen die Fluglöcher eingeengt!

Die Gemülldiagnose

Zentraler Bestandteil der Spätsommer- und Herbstpflege von Jung- und Altvölkern ist die Gemülldiagnose! Mit ihr wird der natürliche Milben(ab)fall erfasst bzw. die Entwicklung des Varroabefalls im Bienenvolk beobachtet. Von Juli bis zur Restentmilbung im Spätherbst/Frühwinter stehen insgesamt fünf Gemülldiagnosen an. Jedes Mal wird die Windel (weiß, aus Kunststoff, mit Rand) von hinten –ohne Störung des Volkes- in den Gitterboden geschoben und nach 3 bzw. 2-7 Tagen wieder gezogen und sorgfältig nach abgefallenen Varroamilben abgesucht. Ihre Anzahl wird durch die Anzahl der Tage der Windeleinlage geteilt. Das Ergebnis: Anzahl (ohne Behandlung!) gefallener Milben pro Tag. Die Bewertung des Ergebnisses richtet sich nach der Schadensschwelle im Herbst. Diese liegt bei 10 Milben/Tag (!) und damit deutlich niedriger als die Schadensschwelle im Sommer (100 Milben/Tag) und höher als die Schadensschwelle im Winter (1 Milbe/Tag). Außerdem ist zu beachten, dass sich die Milben, auch und besonders die, die eine frühe Sommerbehandlung überlebt haben, in den Völkern vermehren, solange die Völker brüten. Innerhalb eines Monats kann sich die Milbenzahl eines Volkes verdoppeln. Aus „5 Milben pro Tag“ Mitte August werden bis Mitte September „10 Milben/Tag“ und bis Mitte Oktober „20 Milben/Tag“. Dann wäre die Schadensschwelle für den Herbst deutlich überschritten.

Deshalb lautet eine weitere Konsequenz: Bei einer Behandlung im Sommer muss der Varroabefall deutlich unter die Schadensschwelle des Herbstes gedrückt werden! Denn es kommt nicht darauf an, was an Milben herunter fällt, sondern darauf, wie viele Milben im Volk überleben und sich weiter vermehren.

Deshalb ist die Beobachtung des Varroabefalls durch Gemülldiagnose(n) unbedingt notwendig. Wer beobachtet weiß Bescheid und ist vor Überraschungen geschützt.

Diese Fünf sind wichtig

Die 1. Gemülldiagnose im Juli:
Sie erlaubt die Beurteilung, ob Gefahr im Verzug ist. Bei einem Milbenabfall von deutlich über 10 Milben Tag muss eventuell unmittelbar nach der Sommerhonigernte behandelt werden.

Die 2. Gemülldiagnose Mitte August bzw. unmittelbar vor der ersten Ameisensäurebehandlung der Altvölker:
Dann weiß man was in den Völkern ist.

Die 3. Gemülldiagnose im September, aber erst mindestens 14 Tage nach Ende der ersten Ameisensäurebehandlung. Ameisensäure wirkt auch in die verdeckelte Brut. Die dort getöteten Milben fallen erst, wenn die Brut schlüpft. Natürlicher Milbenfall stellt sich erst ein, wenn die während der Behandlung vorhandene verdeckelte Brut geschlüpft ist:

Der Vergleich des natürlichen Milbenfalls nach der Augustbehandlung mit dem vor der Augustbehandlung dient als Gradmesser für den Behandlungserfolg der Augustbehandlung und als Orientierung wie gut die anstehende Septemberbehandlung wirken muss.

Die 4. Gemülldiagnose im Oktober:
Ist der Varroabefall im „grünen Bereich“?

Die 5. Gemülldiagnose vor der Restentmilbung im Winter:
Haben die Völker noch Brut? Und wie viele Milben?

Der nächste Newsletter kommt noch im August. Sein Erscheinen richtet sich nach der langfristigen Wetterprognose und gibt Tipps, was bei der dann bevorstehenden Ameisensäurebehandlung zu beachten ist.

Über den Autor

Gerhard Liebig
Ende 2011 ging Dr. Gerhard Liebig in den Ruhestand. Er war 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim angestellt und hat dort in Langzeitprojekten die Populationsdynamik von bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeugern auf Fichte und Tanne sowie die Entwicklung von Bienenvölkern und ihres Varroabefalls untersucht.