Stärke, Futtervorrat und Varroabefall der Völker beurteilen

Biene am Springkraut. Foto (c) Siegfried Kramer

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In Kürze

  • Das Wetter:  Der Oktober hat kühl und nass begonnen, in der zweiten Dekade soll er „golden“ werden.
  • Die Völker: Sie sind (hoffentlich) stark genug und (hoffentlich) ausreichend mit Futter versorgt und haben (hoffentlich) wenige Varroamilben. Überprüfen und Völker mit allzu hohem Varroa-Abfall behandeln; wenn zu wenig bevorratet nachfüttern; wenn zu schwach (eventuell) vereinigen.
  • Die Tracht: Senf, Efeu, Springkraut (und andere Pflanzen) blühen und werden beflogen, wenn es warm genug ist. Am Flugloch fallen zurzeit besonders die Sammlerinnen auf, die leuchtend-gelbe Pollenhöschen tragen oder auf dem Rücken weiß bestäubt sind.  Beim Abladen geht manche Pollenladung verloren und landet in der Windel. Dort gibt das Gemüll Auskunft über Stärke des Volkes und über die Lage seines Brutnestes.

Im Spätsommer war es gegen Ende August warm genug für die Behandlung der Altvölker mit Ameisensäure unmittelbar nach dem Einengen.

Der September war wechselhaft. Alt- und Jungvölker konnten „in aller Ruhe“ aufgefüttert werden, doch gab es besonders an kühlen Standorten wenig Gelegenheit für die nach der Auffütterung anstehende Ameisensäurebehandlung.

Wer auf „Teilen und behandeln“ gesetzt hat musste sich wegen der Witterung keine oder wenig Gedanken machen. Wenn die Teilung noch im Juli erfolgt war –wie am Bienenstand des Lehrbienenzentrums Hohenstein– konnten die Nachschaffungsköniginnen der „Brutvölker“ ihren Hochzeitsflug noch im noch warmen August machen. Und auch in 2019 haben sich viele „Teilvölker“ so gut entwickelt, dass ihre Wiedervereinigung nicht unbedingt notwendig wäre. Doch muss auch bei ihnen der Varroabefall überwacht werden; denn auch im Spätsommer/Herbst gilt die Gleichung: „gute Volksentwicklung = starke Varroavermehrung“. Zu bedenken ist auch die Gleichung: „gute Volksentwicklung = hoher Futterverbrauch“!

Die Völker haben zurzeit noch Brut. Eine baldige Behandlung ist angeraten, wenn der natürliche Milbenfall deutlich höher liegt als 1 Milbe/Tag. Er sollte 10 Milben/Tag nicht überschreiten. Wer beobachtet weiß Bescheid und ist vor Überraschungen geschützt.

Wenn diese Behandlung mit Ameisensäure durchgeführt wird dauert es etwa 14 Tage, bis die Wirkung der Ameisensäure in die verdeckelte Brut abgeklungen ist und sich wieder natürlicher Milbenfall einstellt. Eine Alternative wäre die Behandlung mit Oxalsäure, mit der allerdings nur die auf den Bienen sitzenden Milben erreicht werden können. Deshalb müssen brütende Völker bei allzu hohem Varroabefall mehr als einmal mit Oxalsäure behandelt werden.

Die Kontrolle der Volksstärke

Nach kühler Nacht (und bevor der Flugbetrieb einsetzt) kann die Stärke der Völker ohne Wabenziehen sicher beurteilt werden. Bei 1-Zargen-Völkern genügen ein Blick von oben und ein Blick von unten nach vorsichtigem Abheben und Ankippen der Zarge. Dieser Blick von unten ist auch durch den Gitterboden (mit Taschenlampe) möglich! Bevor man die komplette Beute auf die Stirnseite stellt sollte man sie mit einem Gurt umspannen.

Beim Blick von oben und von unten werden die von Bienen besetzten Wabengassen gezählt. Die Bienentraube (sie ist von den besetzten Waben in Scheiben geschnitten) hat die Form einer Kugel oder Ellipse und sitzt in Fluglochnähe unter einem mehr oder weniger breiten Futterkranz. Bei starken Völkern hängt ein Teil der Traube dort wo sie die größte Ausdehnung hat (in ihrer Mitte), im Gitterboden. Auch wenn dieser unten offen ist, weil keine Windel einliegt, und es frostig kalt ist.

Im Zentrum der Bienentraube wird im Oktober in der Regel noch (etwas) Brut auf 1, 2 oder 3 Waben gepflegt. Die relativ kleinen Brutflächen sind von mit frisch eingelagertem Bienenbrot gefüllten Zellen umgeben. Diese sieht man nur, wenn man Waben zieht.

Die Bienentraube der 2-Zargen-Völker befindet sich in der Regel überwiegend in der unteren Zarge. Dort wird auch die „letzte“ Brut gepflegt. Zur Beurteilung der Volksstärke wird die obere Zarge angekippt oder abgehoben und zur Seite gestellt. Dann wird so vorgegangen wie bei den 1-Zargen-Völkern: Anzahl (und Ausdehnung) der besetzten Wabengassen in der unteren Zarge von oben und von unten feststellen und anschließend das Volk wieder zusammensetzen.

Nach kühler Nacht ist das frühmorgens ohne Rauch möglich. Beim Öffnen der Völker und beim Trennen und Abheben der Zargen keine Erschütterungen auslösen! Wenn den Völkern das Futter –Sirup oder Zuckerwasser– in einer am Rand der (oberen) Zarge eingehängten Futtertasche gegeben wurde, dann ist darauf zu achten, ob das zuletzt gegebene Futter abgenommen ist. Wenn die Futtertasche noch Futter enthält, kann beim Ankippen der Beute Sirup oder Zuckerwasser auslaufen. Man muss genau(er) hingucken, wenn die in die Futtertasche eingelegte Schwimm- und Aufstieghilfe den Einblick auf ihren Boden verwehrt.

Bei der Bewertung der festgestellten „Anzahl der von Bienen besetzten Wabengassen“ muss die Ausdehnung des Bienenbesatzes jeder Wabengasse und seine Bienendichte bedacht werden.

Die meisten Bienen befinden sich in der bzw. den zentralen Gassen der Traube. Die „Bienenscheibe“ einer Wabengasse hat etwa 20 cm Durchmesser, wenn Bienen „oben“ sehr nahe am Oberträger des Rähmchens sitzen und die Traube „unten“ die Rähmchenunterleiste erreicht oder sogar bedeckt. Bei einer „Traubenkugel“ sind die Scheiben fast kreisrund, die äußeren Scheiben sind kleiner als die inneren. In einer eng sitzenden Traube entspricht 1 dm² mindestens 250 Bienen. Bei Frost können es dort, wo die von der „Bienenscheibe“ bedeckten Zellen leer sind und dann in jeder leeren Zelle kopfüber eine Biene steckt, auch 1000 Bienen pro dm² sein. Bei maximaler Ausdehnung und engem Sitz säßen in der zentralen Gasse bis zu 3000 Bienen und etwa genauso viele in jeder der beiden Nachbargassen. Die zum linken bzw. rechten Rand hin kleiner werdenden „Bienenscheiben“ haben deutlich weniger Bienen.

Das Ausmessen der „Bienenscheiben“ ist nicht notwendig. Es genügt frühmorgens (!) nach kühler (!) Nacht die Anzahl der besetzten Wabengassen festzustellen. Wenn es mindestens fünf sind braucht man sich wegen der Volksstärke keine Sorgen zu machen.

Völker vereinigen und umweiseln

Meistens sind es Jungvölker, die einen (zu) schwachen Eindruck machen. Sie sitzen in einer Zarge und können durch simples Aufeinandersetzen vereinigt werden. Wenn man auf diese Weise zwei Jungvölker vereinigt, dann wird vorher eine Königin herausgefangen und mit ihr ein Altvolk umgeweiselt. Für diese Aktion wartet man am besten Flugwetter ab. Die Königin hält sich meist im Zentrum der Bienentraube und dort auf der „letzten“ Brut auf.

Im Spätherbst steht auch die „Wiedervereinigung“ der (Teil-)Völker an, die nach dem Konzept „Teilen und behandeln“ geführt wurden. Wenn das „Brutvolk“ auf dem „Flugling“ sitzt oder neben ihm steht kann das ganz einfach gemacht werden: Das „Brutvolk“ wird auf den Flugling gesetzt.

In der Regel überlebt die Königin des aufgesetzten Volkes. Wer sicher gehen will, dass die „Junge“ am Leben bleibt, muss die „Alte“ vorher herausfangen. Dann kann auch der „Flugling“ (mit seinen jüngeren Waben) auf das „Brutvolk“ gesetzt werden. So erspart man sich den Zargentausch im Frühjahr. Zur Sicherheit sollte man dann auch die „Junge“ vorübergehend (= unter Futterteigverschluss) käfigen.

Völkerdurchsicht und Vereinigung von Teilvölkern werden am Sonntag, den 13. Oktober, am Lehrbienenzentrum Hohenstein demonstriert. Dort stehen zurzeit 40 Teilvölker (Bild 1 und Bild 2). Jeder Interessierte kann zuschauen,

  • wie die Königin eines Volkes gesucht, herausgefangen und unter Futterteigverschluss gekäfigt wird,
  • wie die Stärke der Völker und ihr Futtervorrat eingeschätzt wird,
  • wie Völker vereinigt werden,
  • wie nachgefüttert wird,
  • wie der Varroabefall beurteilt wird.

Die Demonstration dauert von 10 bis 17 Uhr.

Am Lehrbienenzentrum Hohenstein wurden in 2019 die dort stehenden 20 Wirtschaftsvölker nach der Sommerhonigernte nach dem „Tub“-Konzept geführt. Fluglinge und „Brutvölker“ wurden im brutfreien Zustand mit Oxalsäure behandelt. Bei den Fluglingen fielen zwischen 5 und 830 und im Durchschnitt 158 Milben pro Flugling. Bei den drei Wochen später und ebenfalls  im brutfreien Zustand behandelten „Brutvölkern“ fielen zwischen 399 und 4267 Milben und im Durchschnitt 1882 Milben pro „Brutvolk“. Im September wurden die Fluglinge zweimal mit Sirup gefüttert. Vor der abschließenden Futtergabe werden die Teilvölker wiedervereinigt.

Bild 1: Die Teilvölker der Völker 1-8 (im Bild von links nach rechts gezählt) stehen paarweise auf den Böcken (unten der Flugling mit der alten Königin, auf ihm das „Brutvolk“ mit der „Neuen“) direkt vor dem ehemaligen Bienenhaus des Lehrbienenzentrums. Ihre Bienen fliegen hangaufwärts Richtung Süden aus. 

Bild 2: Die obere Völkerreihe auf den Stellplätzen 9-20. Die Fluglöcher von Fluglingen und „Brutvölkern“ zeigen hangabwärts Richtung Norden. Im Bild vorne links stehen das Völkerpaar 9 und 10, ganz hinten rechts das Völkerpaar 19 und 20. In allen Teilvölkern ist eine Windel eingeschoben. Seit Ende Juni wurde und wird der Milbenfall jede Woche einmal erfasst.

Die Kontrolle des Futtervorrats

Für die Überprüfung des Futtervorrates genügt es, das „relative“ Gewicht durch simples Anheben festzustellen. Das „gefühlte“ Gewicht wird geeicht, indem man bei Flugwetter den Futtervorrat des leichtesten Volkes nach der „Achtelmethode“ schätzt. Dazu müssen Waben gezogen werden. Bei dieser Gelegenheit kann auch gleichzeitig die Volksstärke relativ genau erfasst und das Ergebnis dieser „Populationsschätzung“ mit der „Anzahl der besetzten Wabengassen nach kühler Nacht“ verglichen werden.

Wer sich unsicher ist kann die Völker auch mit einer digitalen Kofferwaage wiegen. Dazu wird die Kofferwaage hinten in die Einschuböffnung der Windel und/oder vorne in das Flugloch eingehängt und die beiden „Halb-Gewichte“ addiert. Es reicht auch aus, nur von hinten oder von vorne zu wiegen und das ermittelte „Halb-Gewicht“ zu verdoppeln.

Mit Innendeckel und Blechhaube sollten in der Einfachbeute sitzende 1-Zargen-Völker etwa 28 kg (bzw. 14 kg von hinten), 2-Zargen-Völker etwa 42 kg (bzw. 21 kg von hinten) wiegen. Nachfüttern entweder „von oben“ (das Futtergefäß wird in eine Leerzarge gestellt) oder „von der Seite“ (neben das Volk wird eine Futtertasche an den Rand der Zarge gehängt, je nach Breite der Futtertasche müssen eine oder zwei Waben weichen).

Wenn es kühl ist wird die Abnahme zum Problem. Wenn die Bienen das Futter nicht abnehmen, dann muss das gereichte Futter näher an die Bienen. Es kann bei klein gehaltenen Fluglöchern auch „von unten“ gegeben werden. Dazu wird eine flache Schale (große fassen drei Liter) hinten in den Gitterboden gestellt (weit weg vom Flugloch) und mit Sirup oder Zuckerwasser gefüllt. Es darf nichts überlaufen, auch dann nicht, wenn anschließend die unbedingt notwendige Schwimmhilfe aufgelegt wird (Korken, Zweigstücke, trockenes Laub).

Es gibt auch auf Youtube eingestellte Kurzfilme  „Nachfüttern von unten“:

Unter der Schale bleibt die Windel frei von Gemüll und von Milben. Abends füttern! In hohen Futtergefäßen mit glatten Innenwänden neben der Schwimmhilfe auch eine Aufstieghilfe einlegen!

Die Gemülldiagnose

Weil Ameisen und Ohrwürmer im Spätherbst nicht mehr aktiv sind darf die Windel durchaus länger als in der warmen Jahreszeit einliegen, damit sich mehr Gemüll ansammelt und Unterschiede zwischen den Völkern besser zu erkennen sind. Es bietet sich an, das Gemüllbild auf der Windel mit der Beurteilung der Bienentraube zu verbunden.

Der tägliche Milbenfall sollte im Oktober/November deutlich unter 10 Milben/Tag liegen. Beim Milbenzählen achte man auch auf das Auftreten heller Milbenstadien, die wie die dunklen Altmilben die für die Varroamilbe typische breitovale Form besitzen. Helle Milbenstadien im Gemüll signalisieren, dass befallene Brut geschlüpft ist und das betreffende Volk noch brütet (oder gebrütet hat).

Einige Völker stellen im Spätherbst das Brüten ohne erkennbaren äußeren Anlass ein. Andere Völker (in der Regel sind sie in der Mehrheit) tun das erst während einer Kaltwetterperiode mit frostigen Nächten, die die Königin dazu bringt, keine Eier mehr zu legen.

Drei Wochen nach einem solchen bzw. dem ersten Kälteeinbruch herrscht allgemeine Brutfreiheit. Wenn bzw. sobald es dann (wieder) frostig kalt ist erfolgt die letzte Behandlung als sogenannte „Restentmilbung“.

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Über den Autor

Gerhard Liebig
Ende 2011 ging Dr. Gerhard Liebig in den Ruhestand. Er war 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim angestellt und hat dort in Langzeitprojekten die Populationsdynamik von bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeugern auf Fichte und Tanne sowie die Entwicklung von Bienenvölkern und ihres Varroabefalls untersucht.

3 Kommentare zu "Stärke, Futtervorrat und Varroabefall der Völker beurteilen"

  1. Super anschaulich dargestellt. Das kan ich am kommenden Mittwoch bei meinem vereinstag „herbstrevision“ gleich einfließen lassen.

  2. Immer wieder rechtzeitig sehr gute verwertbare Informationen. Diese Beiträge haben bei mir oberste Priorität. An klaren verlässlichen Fakten kann ich so meine Betriebsweise überprüfen und optimieren. Herzlichen Dank.
    Peter Falk, St. Gallen

  3. R.E Guten Tag
    Was an den ganzen Berichten & Anleitungen von Dr.Liebig & Dr.Pia Aumeier,zusagen ist! Für alle Imker* sind Sie offen, jeder kann sehrgute Berichte nachlessen & umsetzen.Offe Berichte die nicht hinter den Beuten versteckt werden.
    Offen das bringt Imker* weiter.Und das ist gut so.
    MfG R.E

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