Gute Biene, schlechte Biene

Foto (c) Barbara Zabka

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Es ist immer bewegend, wenn sich vom Aussterben bedrohte Arten selbstlos für den Erhalt anderer Mitgeschöpfe einsetzen. So engagierten sich beim bayerischen „Volksbegehren-Artenvielfalt“ die im Freistaat nur noch selten anzutreffenden „Sozialdemokraten“ und Anhänger der „Linkspartei“ gemeinsam mit Bioläden und Öko-Banken für den Erhalt der Bienen. 1,7 Millionen Bayern und Bayerinnen hatten das Volksbegehren im Februar unterschrieben. Bayern Ministerpräsident Markus Söder ernannte sich daraufhin zu Bienenkönigin, der Landtag schloss sich dem Volksbegehren an und seit dem 1. August  sind die Wünsche der Bienenfreunde südlich des Mains Gesetz.

Die Deutschen lieben die Honigbiene. Sie lebt in großen Völkern, gehorcht strengen  Regeln, an ihrer Spitze steht eine machtbewusste Herrscherin. Die Biene ist nichts, ihr Volk ist alles: Im Kampf lassen die Männchen ihr Leben, denn der Stich mit ihrem Stachel ist für sie in der Regel tödlich. Und fleißig sind die Bienen auch. Damit beim Menschen ein Gals Honig auf dem Frühstückstisch stehen kann, müssen Bienen 75.000 Kilometer fliegen und überall eifrig Nektar sammeln. Hedonismus, soviel ist sicher, ist der Biene fremd und damit passt sie gut in eine Zeit, in der Verzicht und Selbstoptimierung hoch im Kurs stehen. Zumindest trifft das alles auf eine Bienenart zu: Die Honigbiene.

Sie ziert Wahlplakate der Grünen, Hipster stellen ihr Holzkisten auf den Balkon und besuchen Imkerkurse. Keiner zu klein, Bienenvater zu sein.

Die Sorge um die Honigbiene ist nicht neu: Schon 1996 fragte die „Bild am Sonntag“ „Stirbt unsere Honigbiene“ aus? Die Menschen, auch ihr honigmeidenden Marmelade- und Wurstbrötchen essende Teil,  bekam es so kurz vor der Jahrtausendwende mit der Angst zu tun. Zumal die scheinbar von höchster wissenschaftlicher Instanz bestätigt wurde. Schon damals machte der mittlerweile als Mem in den sozialen Medien geteilte Satz Einsteins die Runde „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen“. Einsteins Weisheit und das Millennium – unheilvoller konnte es kaum kommen. Wie gut, dass sich nicht alles bewahrheitete: Zwar begann tatsächlich bald ein neues Jahrtausend, aber die Bienen summten weiter und schnell stellte sich heraus, dass Albert Einstein in seinem Leben zwar viel und kluges gesagt hat, aber wohl nie etwas darüber, dass die Menschen kurz nach den Bienen aussterben würden.

Die zweite Bienensorgenwelle erfasste das Land dann Mitte des letzten Jahrzehnts. Damals schlug der Deutsche Imkerbund (DIB) Alarm. Gab es 1992 noch 1,2 Millionen Bienenvölker in der Bundesrepublik, war ihre Zahl bis 2006 auf gut 700.000 zurück gegangen.

„Auch das“, sagt Bienenexperte Gerhard Liebig, „war kein Zeichen, dass die Honigbiene ausstirbt.“ Immer weniger Menschen hätten damals Interesse an der Imkerei gehabt. Es gab kaum Jungimker, gab ein Imker auf, trat niemand in seine Fußstapfen.

Das habe sich, sagt Liebig, der 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim arbeitete, geändert: „Die Zahl der Honigbienenvölker ist seitdem gestiegen.“ Und das in nicht geringem Maße: Nach Zahlen des Imkerbundes lebten 2018 wieder eine Millionen Bienenvölker zwischen Flensburg und Oberammergau.

„Imkern ist wieder modern. Viele Menschen haben entdeckt, dass es ein schönes und preiswerte Hobby ist und man vielleicht sogar mit dem Verkauf von Honig sogar noch ein paar Euro verdienen kann“, sagt Liebig. Auch der Glaube an der Rettung von Welt und Menschheit mitzutun, habe nicht wenige motiviert.

Doch es gibt nicht nur die in straff geführten Verbänden lebende Honigbiene, sondern auch über 500 Arten der eher anarchisch und alleine oder in kleinen Gruppen lebenden Wildbienen. Ihr bekanntester Vertreter ist die Hummel, einer der ganz großen Sympathieträger unter den Insekten.

Essen ihnen die Honigbienen den Nektar weg? Ist die Hipster-Honigbiene Willi der Wildbienenkiller, jeder innerstädtische Bienenstock ein Todesstern der gerne in kleinen, in trockene Wiesen getriebenen Erdlöchern lebenden Wildbienen.

Liebig sagt, eher nein, aber so ganz genau wisse man das nicht. Und dass man mit einer langen Stange im dunklen Honig stochert, hat seine Gründe. „Man sieht nur das, wonach man sucht“, weiß der Bienenexperte.

Seit über hundert Jahren arbeiten Insektenexperten am Wildbienen-Kataster, das eine Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart 1869 ist. Dort melden Fachleute Wildbienenarten und die Orte, an denen sie gesehen wurden. Dass die Zahl der gemeldeten Wildbienenarten gestiegen ist hat nach Liebigs Meinung jedoch nichts damit zu tun, dass es heute mehr Wildbienen als vor 100 Jahren gibt, sondern der Verdienst des Bienenforschers Paul Westrich. Sein Buch „Die Wildbienen Baden-Württembergs“ begeisterte viele an Insektenforschung Interessierte und war mit seinen detaillierten Informationen eine gute Basis zur Bestimmung von Wildbienenarten. Liebig wertete das Wildbienen-Kataster aus. Das Ergebnis: Vor dem Erscheinen von Westrichs Buch  gab es bundesweit nur 6045 Funde von Wildbienen. Im Jahrzehnt nach dessen Erscheinen waren es 37.366. Mehr Wissen über Wildbienen führte dazu, dass die Tiere erkannt wurden. Im laufenden Jahrzehnt stieg die Zahl der Funde 38.305 an.

In Zukunft könnte sie allerdings wieder absinken. „Viele, die sich mit Wildbienen beschäftigen werden älter und die Beobachtung bald einstellen. Nachwuchs ist nicht in Sicht, zumal an den Universitäten die Taxonomie, die Bestimmung und Einordnung von Pflanzen und Tieren, immer weniger gelehrt wird.“

Während Umweltverbände wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) vor einem Bienen- und Insektensterben warnen, private Initiativen wie „Deutschland summt“ und die Wildtierstiftung sich für Wildbienen engagieren und das Umweltinstitut mit der modernen Agrarwirtschaft, Lichtverschmutzung und dem Klimawandel gleich mehrere Gründe für das Sterben von Wildbienen und anderen Insektenarten ausgemacht hat, ist Liebig skeptisch: „Wir haben ein wissenschaftliches Defizit und müssen mehr forschen und beobachten. Wir wissen zu wenig.“

Nicht sicher ist also, ob die Hipster-Honigbienen den Wildbienen den Nektar rauben. Es gibt jedoch Beobachtungen, die nahelegen, dass Honigbienen Wildbienen verdrängen und dazu bringen, von bestimmten Blüten Abstand zu nehmen. Die hochgezüchteten Nutzinsekten sind einfach effektiver als ihre  Naturverwandten. Experten gehen davon aus, dass die Hälfte der Wildbienen in Deutschland vom Aussterben bedroht ist. Das Bienenkataster wiederum zeigt, dass mehr Wissen zu mehr Wildbienenfunden führt. Die Lage ist als kompliziert. Nicht kompliziert ist es hingegen, den Bienen unter die Flügel zu greifen. Und dazu muss man auch nicht zum Imker werden. Der NABU preist das natürliche Habitat des wohl größten Teils der Ruhrbarone-Leser als für Bienen ideal: Die Großstadt. Alle Bienen lieben das Grün der Friedhöfe, Stadtparks, begrünte Innenhöfe und Brachen, auf denen es wild wuchert. Und wer einen Balkon hat, kann ihn mit Stauden und Blumen bepflanzen, die vom Frühjahr bis in den Herbst blühen und so Bienen, Wildbienen und anderen Insekten den Tisch decken. Und wer mag, kann sich auch ein Wildbienenhotel an die Balkonwand nageln. Das alles vergrößert den Lebensraum von Insekten. Und sorgt ganz nebenbei dafür, dass wir uns alle, umgeben von Pflanzen und Tieren, wohler fühlen.

Erschienen bei ruhrbarone.de (c) Stefan Laurin

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Über den Autor

Gerhard Liebig
Ende 2011 ging Dr. Gerhard Liebig in den Ruhestand. Er war 37 Jahre lang an der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim angestellt und hat dort in Langzeitprojekten die Populationsdynamik von bienenwirtschaftlich wichtigen Honigtauerzeugern auf Fichte und Tanne sowie die Entwicklung von Bienenvölkern und ihres Varroabefalls untersucht.

6 Kommentare zu "Gute Biene, schlechte Biene"

  1. wenn ich durch die Flur walke sehe ich viele Planzen, die ich leider nicht benennen kann,
    leider geht es mir auch so mit Insekten, ich sehe welche, weis aber ihren Namen nicht.

    Es gibt doch heute schon für jeden Schiss eine App. Vielleicht auch für Pflanzen und Insekten? mit dem handy geknippst und dann bestimmt mir die App. Ich nehme an ich werde mit der zeit dabei von alleine „Experte“ weil ich mir grundsätzlich für lernfähig halte.

  2. Johannes Aufgebauer | 8. September 2019 um 08:50 Uhr | Antworten

    Seit wann können denn Bienenmännchen stechen?

  3. Guten Tag Zusammen
    Es liegt doch auf der Hand das sich die Natur erneuert
    Es blüht, die Bienen & Insekten bestäuben,es gibt Samen & im nächsten Jahr
    wieder Neue. Auch gibt’s nicht jedes Jahr Früchte- Apfel/Wein Getreide usw.
    .Bei den Imkern* gibt’s Alte und Junge*
    Alte hören auf, Junge* gibt’s nicht bei jeder Fam.& wenn, machen nicht alle werdenImker*
    Sicher ist‘
    das in der heutigen Zeit das Imkern von der Beute & Bienen viel an Kosten vereinfacht billiger wurde.Und von Wissenschaftlern
    sehrgut Fortbildungen erfolgte.Bienen werden nicht mehr in dunklen Bienen -Häusern gehalten .Sondern frei Aufstellungen. Entscheidet das Dr.Liebig Schulungen zu jeder Tages/Nacht Zeit am Offen Völkern gezeigt hat auch bei Regen
    und Schnee.
    Einfach imkern ohne Verdruss.Alle Fragen & Handhabungen zeigte.
    Wie entsteht Honig & Bienen- Königen entstehen Varroa’s usw.
    Kein Weltuntergang,, so hat Er viele Junge & Alte zum weitermachen & Neuanfang
    bewegt.In Bayern gehen die Uhren anderst.
    Gut daß wir Dr.Liebig haben der auf klärt.Wen’s auch nicht allen passt.
    So isset.Durch Ihn sind junge Leute zur Imkerei gekommen.Einfach imkern
    So viele INSEKTEN aller Arten wie dieses Jahr hab ich schon lange nicht mehr gesehen.

    GUTE BIENEN, schlechte Bienen
    Gute Imker*,schlechte Imker *
    MfG R.E

  4. Südlich des Mains? Soso. Grüße aus Franken nach Schwaben!

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